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23.04.2024

Rekordjahr bei Gründungen von Genossenschaften

Bilanz der bayerischen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften 2023: Deutliches Umsatzplus bei Wärmegenossenschaften – Landwirtschaft braucht mehr Entscheidungsfreiheit und Planungssicherheit

In einem volatilen Umfeld haben sich die 1.031 im Genossenschaftsverband Bayern (GVB) organisierten Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften erfolgreich behauptet. Der Gesamtumsatz stieg auf 16,6 Milliarden Euro, nach knapp über 16 Milliarden Euro im Jahr zuvor – eine Zunahme von 2,4 Prozent. „Genossenschaften zeigen, was in ihnen steckt, wenn das Gesamtumfeld von Unsicherheiten geprägt ist. Entstanden im 19. Jahrhundert in Krisenzeiten beweisen sie bis heute ihre Leistungsfähigkeit“, kommentierte Gregor Scheller, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern (GVB), das Ergebnis am Dienstag in München.

Das Jahr 2023 war von einem regen Gründungsgeschehen geprägt. Allein 40 neue Energiegenossenschaften – davon 32 Wärmegenossenschaften – konnte der GVB als neue Mitglieder willkommen heißen. Insgesamt nahm der GVB in Bayern 51 genossenschaftliche Neugründungen in seine Reihen auf. Damit war das vergangene Jahr eines der gründungsreichsten der jüngeren Vergangenheit. „Diese Entwicklung ist ein klarer Beleg für die Attraktivität des Genossenschaftsmodells“, folgerte Scheller.

Energie

Insgesamt erwirtschafteten die 329 Energiegenossenschaften 457 Millionen Euro Umsatz, nach 378,7 Millionen Euro im Vorjahr ein Plus von 20,7 Prozent. Ermöglicht wurde dies unter anderem durch die steigende Zahl von Energiegenossenschaften, durch noch relativ hohe Strompreise und eine gute Stromausbeute bei Photovoltaikanlagen.

Die 147 Wärmegenossenschaften in Bayern steigerten ihre Erlöse um 8,8 Prozent von 11,3 Millionen Euro auf 12,3 Millionen Euro. Nahwärmenetzen kommt eine wachsende Bedeutung zu. In ganz Deutschland treiben Städte und Gemeinden ihre kommunale Wärmeplanung voran. „Die Energiewende ist somit für jeden greifbar. Die Kommunen – und damit jeder einzelne Haushalt – werden sich mit der Wärmeversorgung der Zukunft auseinandersetzen müssen“, sagte Scheller. Wärmegenossenschaften können hierbei die Kommunen unterstützen, weil sie die Umsetzung der Wärmeplanung in wesentlichen Teilen in Bürgerhand übernehmen. Den Volks- und Raiffeisenbanken kommt als Finanzierer eine Schlüsselrolle zu. Mit ihrer regionalen Nähe können sie in enger Abstimmung mit den kommunalen Verantwortlichen und den Wärmegenossenschaften einen aktiven Beitrag zum Gelingen der Wärmewende leisten.

2023 haben die bayerischen Energiegenossenschaften ihre Investitionen im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigert. „Die Energiewende und der Umstieg auf regionale, dezentrale und regenerative Versorgung gewinnt zunehmend an Schwung. Mit ihrer unmittelbaren Bürgerbeteiligung profitieren die Genossenschaftsmitglieder von dieser Entwicklung“, sagte Scheller.

Neben der Zahl der Wärmegenossenschaften legte auch die Zahl der Photovoltaikgenossenschaften zu. Sie stieg um sieben auf 114 Mitglieder. Für die kommenden Jahre zeichnen sich im Energiebereich Fusionen ab. Dies ist bei den mitunter kleinen Genossenschaften notwendig, um weiteres Wachstum zu stemmen und sich an größeren Projekten beteiligen zu können. Zudem fallen Anlagen nach und nach aus der EEG-Förderung, worauf sich die Genossenschaften einstellen und sich entsprechend anpassen müssen. Diese Auswirkungen werden sich voraussichtlich in den kommenden Jahren zeigen.

Raiffeisen-Warengeschäft

Die 74 Raiffeisen-Warenunternehmen erwirtschafteten Umsätze in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Im Jahr davor waren es nach endgültigen Zahlen 1,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang von rund elf Prozent.

Der Umsatzrückgang fiel im Vergleich zum Ausnahmejahr 2022 jedoch niedriger aus als noch zu Jahresbeginn 2023 erwartet. Damit hat sich der Umsatz wieder auf ein normales Niveau mit positiver Tendenz eingependelt. Positiv schlägt sich auch nieder, dass sich die Raiffeisen-Händler vermehrt an privaten Unternehmen aus den Branchen Agrarhandel, Baustoffe und Energie beteiligen und diese Marktausweitung zu Umsatzsteigerungen führt.

In der Sparte Agrarhandel kam die hohe Volatilität der Märkte zum Tragen. Die Getreideernte fiel in der Menge durchschnittlich aus bei deutlich niedrigeren Preisen. Der Einzelhandel konnte sich dagegen leicht positiv entwickeln, obwohl die Inflation die Kaufkraft und dadurch die Umsätze in diesem Segment gebremst hat. Dem Baustoffhandel kam zugute, dass vor allem im ersten Halbjahr 2023 die Bauunternehmen noch offene Aufträge abgearbeitet haben.

Den Raiffeisen-Händlern ist bewusst, dass der Agrar-, Baustoff- und Energiehandel anspruchsvoller wird. Daher kooperieren sie zunehmend in der Region und bilden größere, für ihre Mitglieder und Kunden leistungsfähigere Unternehmen, um sich für die Herausforderungen, denen sich die Landwirtschat stellen muss, gut aufzustellen. Die Unternehmen investieren im Vertrauen auf Kunden und Märkte kontinuierlich in neue Standorte und bessere Ausstattung.

„Die Raiffeisen-Märkte sind eine wichtige Stütze der ländlichen Regionen Bayerns. Über viele Jahre haben sie sich das Vertrauen von Kundinnen und Kunden sowie Mitgliedern erarbeitet. Das bewährt sich insbesondere in herausfordernden Zeiten“, sagte Scheller.

Milchgenossenschaften

 Die 99 Milchgenossenschaften verzeichneten 2023 einen Umsatz in Höhe von 3,8 Milliarden Euro, nach knapp vier Milliarden Euro im Jahr zuvor – ein Rückgang um 3,7 Prozent. Dieser entspricht in etwa dem Rückgang des durchschnittlichen Milchauszahlungspreises. Der Preis für konventionelle Milch ging im Jahresdurchschnitt von 51,9 Cent pro Kilogramm auf 49,7 Cent pro Kilogramm zurück.

Der hohe Druck, unter dem die Landwirte stehen, zeigt sich an den bis heute anhaltenden Protesten. In Deutschland müssen im Durchschnitt vier Höfe pro Tag schließen. Immer weiter steigende regulatorische Anforderungen und fehlende Planungssicherheit setzen den Landwirten erheblich zu. Vorgaben zu Flächenstilllegungen oder Fruchtwechsel greifen erheblich in die Entscheidungs- und Einnahmemöglichkeiten der landwirtschaftlichen Betriebe ein. Dies beschleunigt den Strukturwandel immer mehr. „Wer die kleinteilige Landwirtschaft und die regionale Versorgung mit wertvollen Lebensmitteln will, muss dafür auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen“, mahnte Scheller.

So sind beispielsweise Stallbauten mit enormen Kosten verbunden, die sich oftmals erst nach vielen Jahren amortisieren. Wenn die Vorgaben immer wieder geändert werden, lohnen sich derartige Investitionen häufig nicht. „Es ist dringend erforderlich, den Landwirten wieder mehr Entscheidungsfreiheit und Planungssicherheit zu geben“, sagte Scheller. Immer mehr Regulierung und sich ständig ändernde Vorschriften führen dazu, dass sich Landwirtschaft in Deutschland immer weniger lohnt. In Folge steigen Auslandsimporte von Lebensmitteln, deren Qualität nicht im gleichen Maßstab gewährleistet werden kann. „Das kann nicht in unser aller Interesse liegen“, betonte Scheller.

Weiteres Ungemach droht den milcherzeugenden landwirtschaftlichen Betrieben durch die geplante Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Damit sollen die Lieferbeziehungen im Milchsektor neu geregelt werden. Dies würde einen erheblichen Eingriff in bestehende Geschäfts- sowie Lieferbeziehungen darstellen und enorme bürokratische Kosten ohne jeden Nutzen verursachen. Zudem würde die Umsetzung die Besonderheiten von Genossenschaften außer Acht lassen, in denen die Milcherzeuger nicht nur Lieferanten, sondern auch Eigentümer ihres Molkereiunternehmens sind. Der GVB schließt sich daher der ablehnenden Haltung des Deutschen Raiffeisenverbandes und des Deutschen Bauernverbandes an.

Unter Druck geraten Milchviehhalter außerdem durch immer umfassendere Tierschutzauflagen. Diese beschleunigen den Strukturwandel weiter. Kleine landwirtschaftliche Betriebe können diese Auflagen und die damit verbundenen Kosten häufig nicht stemmen und bleiben auf der Strecke, während größere Einheiten im Vorteil sind. Auch Handelsunternehmen machen den Molkereien und Milcherzeugern das Leben schwer. Da der Handel seine Eigenmarken zunehmend in den Vordergrund rückt, werden Lieferanten immer austauschbarer. 

Handelsgenossenschaften

Ein Umsatzplus von 4,9 Prozent verzeichneten die 63 Handelsgenossenschaften in Bayern, von 6,3 Milliarden Euro auf 6,6 Milliarden Euro. Klar dominiert wird diese Sparte von einem Handelsunternehmen aus der Arzneimittelbranche. Die Sparte umfasst aber auch die Bereiche Nahrungs- und Genussmittel sowie Dorfläden. Diese verzeichneten erneut ein Ergebnisplus von 6,7 Prozent. „Die Nahversorgung der Bevölkerung auf dem Land wird von den Menschen angenommen. Hier zeigt sich, wie Genossenschaften dazu beitragen können, Lücken zu schließen und zum Wohl der Allgemeinheit zu wirken“, folgerte Scheller. Der regionale Handel steht allerdings unter starkem Druck der Discounter.

Ländliche Genossenschaften

226 ländliche Genossenschaften gehören dem GVB an. Zu ihnen zählen unter anderem Unternehmen in den Bereichen Forst- und Holzwirtschaft, Trocknung, Weinbau, Brennerei, Vieh und Fleisch sowie Maschinen. Diese Unternehmen verzeichneten einen Umsatz in Höhe von mehr als 1,4 Milliarden Euro, 93,6 Millionen Euro mehr als im Jahr davor. Das entspricht einem Plus von 6,9 Prozent. Deutliche Umsatzrückgänge verzeichneten die Winzer. Ihr Ergebnis gab um mehr als 20 Prozent auf knapp 51 Millionen Euro nach. 2022 war dieses noch bei 71,5 Millionen Euro gelegen. Geänderte Trinkgewohnheiten und die zunehmende Abkehr von hochpreisigen Artikeln machen sich hier bemerkbar.

Deutliche Zuwächse um mehr als 25 Prozent von knapp 162 Millionen Euro auf 203 Millionen Euro verzeichneten die genossenschaftlichen Unternehmen aus dem Bereich Obst und Gemüse. Hier schlagen nicht nur gestiegene Preise, sondern auch der Trend zu Regionalität durch.

Handwerksgenossenschaften

Die 46 Handwerksgenossenschaften konnten ihren Umsatz um 0,7 Prozent von knapp 984 Millionen Euro auf 991 Millionen Euro steigern. Zu dieser Gruppe zählen Genossenschaften für das Bauhandwerk, aber auch für Kaminkehrer, Bäcker, Metzger sowie Brauereigenossenschaften. In diesem Segment macht sich der Konjunktureinbruch im Baugewerbe bemerkbar. Die Unternehmen beklagen zudem, dass Nachwuchs immer schwieriger zu finden ist. Auch dadurch bleiben immer wieder Aufträge auf der Strecke, weil sie aufgrund fehlenden Personals nicht ausgeführt werden können.

Gewerbliche Genossenschaften

Einen Umsatzsprung um 18,4 Prozent von 1,3 Milliarden Euro auf 1,6 Milliarden Euro verzeichneten die 150 gewerblichen Genossenschaften. Auch hier ist ein einzelnes Unternehmen dominant, das der Kommunikations- und IT-Branche angehört. Darüber hinaus zählen zu dieser Sparte freie Berufsgruppen, Gastronomie, Gesundheit, Marketing und Tourismus sowie Verkehr.

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