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Bis zum Frühjahr 2021 konnten Banken ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) im Wege der Widerspruchslösung ändern. Dabei wurde der Kunde über die Anpassung informiert und konnte innerhalb einer Frist von zwei Monaten widersprechen oder kostenfrei kündigen. Wenn kein Widerspruch erfolgte, trat die Anpassung nach zwei Monaten in Kraft. Am 27.04.2021 (XI ZR 26/20) entschied der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch, dass diese Widerspruchslösung einer AGB-Prüfung nach §§ 305 ff BGB nicht standhält. Demnach erfordert jede Vertragsänderung die aktive Zustimmung des Kunden. Da viele Kunden längere Zeit nicht reagieren, befinden sich viele Verträge in der „Schwebe“.
Die Widerspruchslösung ist in vielen Branchen gängige Praxis (wie zum Beispiel Streaming- oder Clouddienste, Fitnessstudios), da das Mengengeschäft nur so wirtschaftlich geführt werden kann. Aus diesem Grund ist eine zu erwartende Ausweitung der Rechtsprechung für den Wirtschaftsstandort Deutschland äußerst bedenklich.
Das Urteil hat die Situation der Verbraucher in der Praxis verschlechtert. Denn eine angeblich einseitige Preisgestaltungsmacht, wie es die Verbraucherverbände suggerieren, gab es auch vor dem Urteil nicht. Das Urteil hat den Kundinnen und Kunden lediglich eine Reaktionslast aufgebürdet. Gerade bei Kunden, die nicht besonders digitalaffin sind, bedeutet das viel Papier und hohe Kosten. Dabei möchten nahezu alle Kunden bei ihrer Bank bleiben. Dies zeigen die hohen Zustimmungsquoten von bis zu 98 Prozent bei unseren Volks- und Raiffeisenbanken. Die Kunden, die einer Änderung nicht zustimmen wollen, waren auch bei der früheren Widerspruchslösung in ausreichender Weise berücksichtigt. Faktisch haben Kunden seit dem Urteil keinen Mehrwert, größeren Aufwand, erhöhte Kosten und müssen bei ausbleibender Reaktion letztlich mit Kündigungen rechnen.
Das Ende der Zustimmungsfiktion hat Banken wie Verbraucher einer Mehrbelastung ohne Nutzen ausgesetzt, die das breite Privatkundengeschäft teuer und bürokratisch macht. Allein für die bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken umfasst der geschätzte Verwaltungsaufwand inzwischen einen zweistelligen Millionenbetrag. Eine Ausweitung des Urteils über den Bankenbereich hinaus würde somit schwere konjunkturelle Schäden verursachen. Den Schaden haben aber am Ende vor allem die Verbraucherinnen und Verbraucher durch ein eingeschränktes Leistungs- und Serviceangebot.
Eine Neuregelung, welche die Widerspruchslösung explizit erlaubt, ist dringend gefordert. Leider hat es der Gesetzgeber bisher versäumt, eine verbraucherfreundliche Lösung gesetzlich zu implementieren. Aus Sicht des GVB gibt es zwei Möglichkeiten, den negativen Zustand zu beseitigen. Einerseits bietet sich die sogenannte „große Lösung“ im allgemeinen AGB-Teil des BGB an, die für alle Unternehmen gelten würde. Andererseits kommt die Anpassung des § 675g BGB infrage, die einer branchenspezifischen Regelung entspräche.
Fotocredit: Picture Alliance