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KommunikationMilch
01.06.2022

„Milch ist für mich ein absolutes Superfood“

Wein-Sommelière kennt jeder. Aber Milch-Sommelière? Auch die gibt’s, zum Beispiel Heike Zeller. Zum Tag der Milch gibt sie Tipps für den perfekte Milchschaum und erklärt ihre Faszination für Milch.

Heute ist der internationale Tag der Milch. Auch für den GVB mit seinen 104 Milchgenossenschaften ist das ein Tag zum Feiern. Deutschland ist der größte Produzent von Milch in der Europäischen Union. Dazu tragen auch die Molkereigenossenschaften in Bayern bei. 4,1 Millionen Tonnen Milch gehen durch ihre Hände. Das ist fast die Hälfte der bayerischen Milchmenge.  

Eine Milchexpertin ist Heike Zeller. Sie ist eine der ersten deutschen Milch-Sommelière. Foto: Rolinec

Der Titel „Milch-Sommelière“ klingt spannend und macht neugierig. Was genau verbirgt sich dahinter?

Heike Zeller: Erst einmal muss man sagen, dass der Begriff „Milch-Sommelière“ kein geschützter Begriff ist und es gab bis vor kurzem keinen Lehrplan, aufgrund dessen man diesen Titel erwerben konnte. Erst seit Herbst 2021 bietet die Genussakademie Bayern neu diese Fortbildungsmöglichkeit an; bis jetzt die einzige Möglichkeit, den Titel offiziell zu erwerben. Dort wurde abgeleitet aus der Qualifizierung Käse-Sommelier, ein vielseitiges und fundiertes Konzept entwickelt, das mit zahlreichen Referenten die Milch aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet.

Grundsätzlich muss man wissen, dass es verschiedene Fach-Sommeliers für Lebensmittel gibt. Der Bekannteste dürfte der Wein-Sommelier sein, es gibt aber auch Bier- und Wasser- – und jetzt neu Milch-Sommeliers. 

Die Ausbildungsinhalte sind sehr umfangreich. Was war für Sie persönlich der spannendste Bereich?

Zeller: Die Mischung aus Theorie und Praxis. Beim Themenblock Warenkunde Milch, von Barbara Steiner-Hainz aus der Molkerei Berchtesgadener Land, die ja gleichzeitig auch Ökotrophologin ist, haben wir eine richtige Struktur zur Milch an die Hand bekommen. Sie hat auch ihre langjährigen Praxiserfahrungen aus der Molkerei in ihre Vorträge eingebracht. Wir bekamen eine Molkereiführung und durften das ganze Sortiment testen – von Milch über Joghurt bis hin zu Kefir.

Faszinierend fand ich die Verbindung der traditionellen Landwirtschaft in der Region und dann dieser hochmoderne Molkereibetrieb.

Außerdem wurden uns die Unterschiede bei den Milchsorten erklärt. Was unterscheidet eine Vollmilch von einer fettarmen Milch? Wie wird sie zur traditionell hergestellten bzw. länger haltbaren Frischmilch oder H-Milch? Homogenisierung, Pasteurisierung etc., all diese Fachbegriffe wurden leicht verständlich erklärt.

Sie sind studierte Soziologin und Betriebswirtin. Was hat Sie dazu bewogen, als eine der Ersten in ganz Deutschland die Ausbildung zur Milch-Sommelière zu machen?

Zeller: Ich komme aus der Alpenregion, der absoluten Milchregion. Dort bin ich neben dem Hof meines Onkels großgeworden. Später habe ich auf einigen Almen gearbeitet. So habe ich die Milch-Herstellungsprozesse auf der ursprünglichen Alm von der Pike auf gelernt. Heute arbeite ich als Regionalvermarktungs-Beraterin und da sind die tiefergehenden Hintergründe über Lebensmittel die Basis. Da kann ich nie genug Milch-Wissen haben. Als ich von der Milch-Sommelier-Schulung hörte, dachte ich sofort: Das will ich machen und mich noch intensiver mit diesem tollen Produkt beschäftigen.

Unabhängig davon begeistert mich die Milch, weil sie naturbelassen ist und aus nur einer Zutat besteht. Und gleichzeitig alle zum Leben notwendigen Inhaltsstoffe enthält.

Barrique, Auslese, Dekantieren – ein Wein-Sommelier spricht seine eigene Sprache. Hat ein Milch-Sommelier ebenfalls sein eigenes Vokabular?

Zeller: Ja, bei der Milch können wir ähnlich wie beim Wein bestimmte Aromen herausschmecken. Um es genauer zu bezeichnen, gibt es ein sogenanntes Aromarad. Die Beschreibungen reichen von frisch, würzig, grün bis hin zu stechend schweflig. Während eine frische Vollmilch eher sahnig, rahmiger und vollmundig schmeckt, schmeckt H-Milch süßer und bei zu starken Erhitzungsprozessen schnell karamellig bis brandig. Oder zum Beispiel laktosefreie Milch, die schmeckt immer deutlich süßer. Ursache dafür ist, dass die bei der Spaltung entstandenen Einzelzuckerarten süßer schmecken als der natürliche Milchzucker.

Der Geschmack der Milch hängt eben stark von der Produktionsart ab. Eine frische, nicht homogenisierte Bio-Milch, schmeckt natürlich besonders intensiv und milchig-rahmig.

Milch von Kühen, die viel Gras und Kräuter fressen, soll besonders gesund sein. Kann man das Futter, das die Kühe bekommen, in der Milch schmecken?

Zeller: Ja, mit regelmäßigem Training kann man das. Und die Milch von Kühen, die frische Gräser und Kräuter auf einer artenreichen Bergwiese gefressen haben, schmeckt nicht nur besser, sondern enthält auch mehr ungesättigte Fettsäuren, also Omega-3-Fettsäuren – und die sind für uns Menschen lebensnotwendig. Das belegen zahlreiche Studien. Und die daraus hergestellte Butter ist auch streichfähiger. Deshalb ist eine Sommerbutter, aus Milch von Kühen mit viel frischem Futter gefüttert, generell streichfähiger als eine Winterbutter. 

Der perfekte Milchschaum auf dem Cappuccino: Manchmal will er einem einfach nicht gelingen. Heike Zeller hat Tipps für Kaffeetrinker. Foto: Unsplash

Stichwort Milch & Gesundheit: Welche Rolle spielt das Grundnahrungsmittel Milch eigentlich in unserer Ernährung?

Zeller: Milch ist für mich ein absolutes Superfood. Es ist unglaublich, was man aus diesem einen Ausgangsstoff alles machen kann. Und Milch vereint für den Körper wichtige Nährstoffe; das Milcheiweiß enthält ja wirklich alle lebensnotwendigen Aminosäuren und fördert den Muskelaufbau, der Milchzucker unterstützt das Wachstum, Milchfett liefert Energie und Vitamine, Mineralstoffe sowie Spurenelemente sind essentiell für den Stoffwechsel und das Nervensystem. Das Besondere zum Beispiel auch im Vergleich zu Pflanzendrinks ist, dass sie all diese wertvollen Inhaltsstoffe ganz natürlich und in einer für uns gut bekömmlichen Zusammensetzung enthält. Pflanzendrinks sind da keine Alternative, denn sie enthalten meist nur einen der Makronährstoffe Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate schwerpunktmäßig, dafür aber oft eine lange Liste an Zusatzstoffen.

Kuh & Klima: Ein Thema, das aktuell viel diskutiert wird. Können Sie uns die komplexen Zusammenhänge erläutern und welche Rolle das Grünland dabei spielt?

Zeller: Bei uns in der Alpenregion gilt in jedem Fall: Kühe sind gut fürs Klima. Im Grünlandgürtel der Alpen sind fast 75 % Wiesen. Für uns Menschen ist Gras unverdaulich, wir können es nicht essen. Kühe dagegen erzeugen daraus Milch und Fleisch. Wenn die Kuh dann auch noch auf der Weide steht, dann ist das doppelt gut: Durch die Tritte und das Rupfen der Kühe auf der Weide wird das Wurzel- und Pflanzenwachstum angeregt. Abgestorbene Wurzeln im Boden werden von Mikroorganismen und Regenwürmern ab und zu Humus aufgebaut. Zudem stärkt Weidehaltung die Widerstandskräfte der Kühe. Klauen, Gelenke und Beine werden geschont. Und nur gesunde Tiere geben die beste Milch.

Seit Milchmischgetränke wie Cappuccino oder Latte Macchiato im Trend liegen, ist auch das Aufschäumen der Milch ein wichtiges Thema. Wann lässt sich Milch gut schäumen und wann nicht?

Zeller: Das hängt maßgeblich von den Inhaltsstoffen der Milch ab. Milchschaum ist ein Eiweißschaum, das heißt je mehr Eiweiß, desto besser das Aufschäumverhalten. So gesehen schäumt fettarme Milch besser als Vollmilch. Letztere ist dafür cremiger und durch die im Fett gelösten Aromastoffe natürlich vollmundiger. Und dann spielt die Feinverteilung des Fetts in der Milch auch noch eine wichtige Rolle. Je feiner, desto stabiler der Schaum – daher schäumt homogenisierte Milch besonders gut. Vollmilch ist also eher für einen cremigen Latte Macchiato mit schönen Motiven in der Milch geeignet, fettarme Milch eher, wenn man es schön fluffig mag. Daneben hängt der Milchschaum auch von der verwendeten Technik und der Temperatur ab: Mechanisch oder über Druck, aber in jedem Fall nicht über 60 Grad erhitzen.

Sie wurden als eine der ersten 13 in Deutschland zur Milch-Sommelière ausgebildet. Der Titel klingt gut – aber was macht man eigentlich mit dieser Zusatzausbildung? Kann man damit auch Geld verdienen?

Zeller: Ich vermute, auch den anderen ging es so wie mir: sie wollten mehr über Milch wissen und sich für sie einsetzen, weil sie fasziniert von ihr sind. Oft wird nur sehr einseitig oder gar falsch über die Milch berichtet. Ich wollte für den Ruf der Milch etwas tun, auch ihre Herkunft und Herstellung erklären, denn immer weniger Leute haben einen direkten Bezug zur oder Einblick in die Landwirtschaft.

Mir geht es als Sommelière darum, Milch in all ihren Facetten zu zeigen: Was macht die Milchqualität aus, woher kommt die Milch, was ist alles drin? Und erfahrungsgemäß steckt meine Begeisterung und Wissbegierde auch andere Menschen an.

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